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EU-Mercosur-Abkommen

Chancen für die EU, Deutschland und Baden-Württemberg

Im Dezember 2024 hat sich die EU mit den vier Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay auf ein Handelsabkommen verständigt. Was nach langen Verhandlungen wie ein Durchbruch aussieht, erfordert weiterhin Geduld, denn das Abkommen ist noch nicht in Kraft getreten.

Milliardenhohe Entlastung für Unternehmen

Hohe Zölle sind nicht zuletzt durch die erneute US-Präsidentschaft von Donald Trump ein aktuelles Thema. Auch im EU-Mercosur-Abkommen spielen sie eine entscheidende Rolle. Rund 85 Prozent der EU-Exporte sind in Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay zollpflichtig. Mercosur hat für Europa wichtige Rohstoffe, z.B. Lithium und Kupfer, sowie Agrarprodukte. Europa ist Hauptlieferant von Autos, Maschinen, Chemikalien und Pharmazeutika. Importiert werden von beiden Seiten auch Dienstleistungen: „Spannend ist alles, was mit Informationstechnik und Künstlicher Intelligenz zu tun hat, ebenso FinTech und GreenTech“, so Kira Potowski, Geschäftsführerin bei der AHK Uruguay.

Insgesamt würden bei einem Erfolg des Abkommens rund 90 Prozent der Ein- und Ausfuhrabgaben zwischen beiden Seiten wegfallen. Es könnte die größte Freihandelszone der Welt entstehen. Europäische Unternehmen könnten jährlich um rund vier Milliarden Euro entlastet werden. Aber die Perspektiven für den Mercosur seien gemischt, sagt Gunther Neubert, Geschäftsführer bei der AHK Argentinien: „Während einige Mitgliedsländer von der wirtschaftlichen Stabilisierung profitieren könnten, bleibt die Integration und Zusammenarbeit innerhalb des Handelsblocks eine Herausforderung.“

Aktuell orientiere sich Deutschland bei Geschäften eher in Richtung Asien, Europa oder USA, während Lateinamerika oft als zu weit entfernt gilt. „Kulturelle und sprachliche Barrieren sowie die Zeitverschiebung erschweren zusätzlich den Marktzugang“, sagt Potowski.

Potenziale des Abkommens für Baden-Württemberg

Wenig überraschend ist, dass die größten Potenziale für Unternehmen aus Baden-Württemberg in den Sektoren Maschinenbau, Fahrzeugbau, Elektrotechnik und Chemische Industrie liegen. „Diese Branchen sind in Baden-Württemberg stark vertreten und könnten von der Nachfrage nach hochwertigen Industrieprodukten in Argentinien profitieren, die aus allen Industriezweigen kommen, beispielsweise aus der hochentwickelten Landwirtschaft und Nahrungsmittelverarbeitung, der Pharmaindustrie, dem Bergbau und vielen anderen“, so Neubert. „Auch der Energiesektor, insbesondere erneuerbare Energien, bietet vielversprechende Möglichkeiten für Investitionen und Kooperationen. Die fortschreitende Digitalisierung und die Notwendigkeit von Infrastrukturprojekten eröffnen ebenfalls Chancen für deutsche Unternehmen, ihre Expertise und Technologien in Argentinien einzubringen“, führt er weiter aus.

„Baden-Württemberg als führender Innovations- und Technologiestandort hat gute Chancen, vom steigenden Bedarf der Mercosur-Staaten an nachhaltigen Technologien zu profitieren. Schon jetzt gibt es erfolgreiche Kooperationen, vor allem in den Bereichen Automobil- und Maschinenbau, Umwelttechnologien, erneuerbare Energien und Medizintechnik. In den kommenden Jahren wird das EU-Mercosur-Abkommen diese Zusammenarbeit weiter voranbringen, indem es den Marktzugang erleichtert und Investitionen attraktiver macht."

Loana von Gaevernitz Lima Wirtschaftsrepräsentantin des Landes Baden-Württemberg in Brasilien

Besonders für mittelständische Unternehmen aus Baden-Württemberg ergeben sich spannende Möglichkeiten: Infrastrukturprojekte und der Ausbau der Kreislaufwirtschaft eröffnen neue Märkte, während die wachsende Nachfrage nach Medizintechnik, grünen Technologien, Wasserstofflösungen und Agrartechnologien viel Potenzial für gemeinsame Projekte bietet.

Die Wirtschaftsrepräsentanz des Landes Baden-Württemberg in Brasilien steht baden-württembergischen Unternehmen mit Rat und Tat zur Seite, um den Markteinstieg zu erleichtern und Partnerschaften zu fördern: https://www.bw-weltweit.de/brasilien.

Reiner Valier, Lateinamerikaexperte im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg, ergänzt: „Schon heute bergen die Märkte der Mercosur-Staaten ungemeine Potenziale für unsere Unternehmen. Mit dem im Dezember unterzeichneten EU-Mercosur-Abkommen werden nicht nur verlässliche Rahmenbedingungen geschaffen und die Investitionsmöglichkeiten vereinfacht, sondern auch eine der größten Freihandelszonen der Welt geschaffen, die einen Markt mit 718 Millionen Verbrauchern und fast 25 Prozent des weltweiten BIP umfasst. Mit Blick auf die sich stark verändernden Handelsströme ist es besonders wichtig, sich jetzt mit Südamerika zu befassen. Besonders in den Bereichen Agrarwirtschaft und Smart Farming bieten beide Länder enormes Potenzial: Mit ihrer starken landwirtschaftlichen Tradition, technologischer Innovation und nachhaltigen Produktionsmethoden können Unternehmen frühzeitig strategische Partnerschaften schließen und Vorteile in zwei der dynamischsten Wirtschaften Südamerikas sichern.“

Was, wenn das Abkommens scheitert?

„Die Konsequenz ist, dass Chancen ungenutzt bleiben, da die Zölle unverändert bleiben und sich am Status quo nichts ändert. Für deutsche Unternehmen würde der Export nach Lateinamerika weiterhin einen hohen Mehraufwand bedeuten“, sagt Potowski, und ergänzt: „Stattdessen könnte Mercosur dann Freihandelsabkommen mit China, der Türkei und Russland oder alternativ mit einzelnen Ländern der EU unterzeichnen.“ China ist bereits jetzt der wichtigste Handelspartner für die Mercosur-Staaten.

 

Wie geht es weiter?

Einige EU-Länder wie Frankreich, Polen und Österreich lehnen das Abkommen ab. Sie sehen die eigene Landwirtschaft durch billige Waren aus Südamerika gefährdet. Aber „jedes Abkommen hat Gewinner und Verlierer. Das lässt sich nicht vermeiden. Hier geht es jedoch um Tausende Unternehmen, den Abbau von Zöllen und Einsparungen in Milliardenhöhe“, so Potowski. Die Bundesregierung setzt sich auf EU-Ebene für eine rasche Umsetzung des Abkommens ein. In den kommenden Monaten werden die vereinbarten Vertragstexte juristisch geprüft und anschließend dem Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament zur Zustimmung vorgelegt.

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