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Automarkt China: Tesla verändert Wettbewerb

BW_i bot im Web-Seminar „E-Mobilität in China“ einen Überblick über die aktuellen und künftigen Entwicklungen im größten Automarkt der Welt.

In China vollzieht sich aktuell eine Veränderung auf dem E-Mobilitätsmarkt. Getrieben von veränderten Förderbedingungen für „New Energy Vehicles (NEV)“ durch die chinesische Regierung sowie durch den amerikanischen Konkurrenten Tesla, der gegenwärtig in China stark expandiert, ist eine Ausdünnung der E-Mobilitätsunternehmen zu erwarten. 

Im gemeinsamen Web-Seminar von Baden-Württemberg International und der Landesagentur für Neue Mobilitätslösungen und Automotive, e-mobil BW, wurden im Rahmen des Zuliefertages 2020 am 5. November 2020 die aktuellen Entwicklungen im Bereich der E-Mobilität in China mit 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmern diskutiert: Wie hat sich der Markt im Jahr 2019 verändert? Wie hat sich der Lockdown auf die Wirtschaftsentwicklung sowie den Automobilmarkt und seine Unternehmen ausgewirkt? Wie haben sich Wirtschaft und Automobilmarkt entwickelt seit die Unternehmen wieder die Tätigkeit aufgenommen haben? Was sind die Prognosen für das Jahr 2020? 

Zu diesen Fragen nahm Bernhard Weber, BW_i Nanjing General Manager und Repräsentant des Landes Baden-Württemberg, Stellung und teilte seine Eindrücke und Einschätzungen direkt aus China. 

Er berichtete, dass im Jahr 2019 in China eine Kürzung der Fördermittel für E-Mobilität und negative Produktbeurteilungen zu einem leichten Rückgang der Absatzzahlen auf 1,2 Millionen verkaufte NEV führte. Insgesamt wurden in China im Jahr 2019 25,76 Millionen  PKWs verkauft, was einer Verkaufsquote von 4,65 Prozent  der NEV entspricht. 47 Prozent der verkauften NEV gingen hierbei an Firmenkunden. Vor allem große Taxiflotten verzeichneten einen Anstieg um je 20 Prozentpunkte  im Vergleich zu den beiden Vorjahren. 

Das Jahr 2020 ist nach Einschätzung Webers für die Automobilbranche in China neben der Corona-Krise vor allem durch den Markteinstieg von Tesla und dem Beginn der Tesla-Fertigung in Shanghai gekennzeichnet. In China hergestellte Tesla-Autos konnten auf ausgereiften Modellen aufbauen und können vergleichsweise preisgünstig erworben werden, was starken Druck auf die chinesischen Marken ausübt. Das Tesla-Werk in Shanghai hat China zudem dabei geholfen, eine ausgereifte, vollständige und qualitativ hochwertige Lieferkette für die E-Mobility-Industrie aufzubauen. Inzwischen exportiert Tesla Autos aus dem Shanghaier Werk auch nach Europa. 

Weber geht davon aus, dass der Absatz von NEV im Jahr 2020 das Niveau des letzten Jahres erreichen wird (Jan-Okt 20: 0,9 Millionen NEV verkauft) und sieht Tesla neben BYD, NIO und VW eindeutig als Branchenführer. Die kleineren chinesischen Hersteller halten sich zum Teil durch die Belieferung regionaler Taxiflotten am Leben, aber eine weitere Konsolidierung ist abzusehen.

Auch in den Bereichen Ladeinfrastruktur und Batterietechnik zeigt sich China als Vorreiter. Der Staat fördert den Aufbau eines engen Netzwerks von Ladestationen, sodass schon jetzt auf dreieinhalb Fahrzeuge eine öffentliche Ladesäule kommt. In vielen Städten fährt der öffentliche Verkehr mit Taxen und Bussen schon weitgehend elektrisch – ein Trend, der noch weiter ausgebaut werden wird. Im Zuge dieses Infrastrukturausbaus stellen führende chinesische Anbieter zudem kobaltfreie Batterien her oder haben diese für das nächste Jahr angekündigt. Eine höhere Energiedichte soll die Reichweite der Autos zudem entsprechend erweitern.

Abschließend resümierte Weber, dass die chinesische Regierung die Entwicklung von E-Mobilität und die weitere Integration der Branche mittel- und langfristig weiter unterstützen wird. Obwohl leichte Rücknahmen der ursprünglichen Zielvorgaben durch die Regierung erfolgten, bestehen keine Zweifel daran, dass die chinesische Führung entschlossen ist, Chinas Führungsposition in der Branche weiter auszubauen und vor allem chinesische Technikstandards bei wichtigen Bauteilen durchzusetzen und so chinesische Unternehmen in Schlüsselpositionen innerhalb der Lieferketten zu positionieren. 

Henning Vogelsang

Geschäftsführer BW_i-Büro Nanjing, China

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